Die Jahrestagung des Forum lebendige Jagdkultur e.V. fand in diesem Jahr in Oberhaslach im Elsass statt und stand unter dem Thema „Jagdkulturen – ein europäisches Kulturerbe“.

Die praktische Seite der länderübergreifenden Jagdkultur konnte gleich am ersten Abend mit dem Besuch der Trophäenschau des „Hegerings“ Haslach und Umgebung besichtigt werden, auf der in der Diskussion mit den Elsässer Hochwildjägern die gleichen Probleme wie in Deutschland erkennbar waren – z.B. die Herabsetzung des abschussfähigen Reifealters für Hirsche durch die Forstverwaltung von 10 auf 7 Jahre. Mit dem guten Elsässer Pinot gris wurde der gemeinsame Kummer hinuntergespült.

Das auch das Filmemachen zur Jagdkultur gehört, bewies am Abend der großartige Film „Cerf Moi Fort“ von Jean-Paul Grossin. Hier wurde eine Stunde lang in fast genialer Weise eine filmische Annäherung an das Rotwild gezeigt, mit künstlerisch inspirierten Bildern und einer großartigen Brunft-Reportage. Die Klaviermusik dazu war ein besonderer Genuss. Die Vorträge wurden eröffnet mit einem Grußwort von Dr. Yves Lecocq, der auf die enge Verbindung der mitteleuropäischen Jagdkulturen etwa im Hinblick auf die Parforce-Jagd hinwies und eine stärkere Kenntnisnahme dieses europäischen Kulturerbes forderte.

Mit den Vorträgen ging es dann zur Sache, zunächst mit einem einführenden kurzen Vortrag von Dieter Stahmann, der die Jagdkultur als eigenständige Erscheinung in verschiedenen Zeiten und Regionen darstellte und die mangelnde Beachtung der gegenwärtigen Jagdkultur in der Kulturwissenschaft bemängelte. Frau Maike Schmidt M.A. von der Uni Trier stellte dann die Entwicklung der Jagdkultur im 16. Jahrhundert am Hofe von Francois I. dar, der als Erster die noch heute gültige Form der „venerie“, der Parforcejagd aufbaute. Nicht zuletzt wurde betont, dass die Parforcejagd keine Hetzjagd ist, sondern eine zwischen Meute und Hirsch abgestimmte Aktion darstellt. In Frankreich wird diese Jagdart heute noch als historisches Erbe im begrenzten Rahmen betrieben.

Das es viele jagdliche Transfers der Jagdkultur zwischen Frankreich und Deutschland in beiden Richtungen gegeben hat, erläuterte Dr. Gilbert Titeux in seinem reich bebilderten Vortrag. Das gilt nicht nur für die Parforcejagd in Richtung Deutschland, sondern z.B. für Abschussplan und Trophäenschau, die von der französischen Besatzung nach dem letzten Krieg als bürokratische Beute nach Frankreich importiert wurden. Ein temperamentvolles Plädoyer für die Jagdlyrik hielt Erich Henn unter dem Tite “Was Lyrik wollen kann“. Ausgehend von klassischen Gedichten zeigte er an eigenen Beispielen, wie im Gedicht der seelische Bereich der Jagd zum Klingen gebracht werden kann – ohne störende Kommas und Großbuchstaben.

Mit der „Lappjagd in der sibirischen Taiga“ führte Dr. Fritz Sieren in eine ganz andere Jagdkultur. Der enge Kontakt mit den Jägern am Ural ermöglichte ganz neue Eindrücke darüber, wie Jagd auch sein kann. Erich Hobusch brachte dann einen aufschlussreichen Vergleich der Jagdpresse in Berlin und Polen. Für das Forum etwas deprimierend war, dass in der Berliner Jagdpresse außer Jagdhornbläsern keine Jagdkultur zu finden war, ganz im Gegensatz zu der Kattowitzer Jagdzeitung, die in jeder Ausgabe auch ausführlich über andere jagdkulturelle dinge berichtete. Das die Kunst des Büchsenmachers auch ein Teil der Jagdkultur ist, entwickelte Büchsenmachermeister Franz Henninghaus aus historischen Beispielen der Jagdwaffen. Heute hat der Jäger die Auswahl zwischen einfachen fabrikmässigen Waffen, die zwar auch schießen, und handwerklichen Kunstwerken, die einen praktisch-ästhetischen Bereich der Jagdkultur vertreten und in ihrer Schönheit durchaus mit den anderen Bereichen der Kunst konkurrieren können.

Über die Jagdkultur in der Endphase der österreichischen Monarchie, also etwa von 1800 bis 1914 berichtete Prof. Dr. Johannes Dieberger aus Wien mit vielen interessanten Bildern. Er wies u.a. daraufhin, das Kaiser Franz Josef in jungen Jahren gar nicht sonderlich jagdbegeistert war und erst im Alter zu dem dann verbreiteten Typ des naturverbundenen Einzel- und Gamsjäger wurde. Prof Dieberger konnte auch nicht lassen, kritische Bemerkungen über den Trophäenkult und andere hoheitliche und bürgerliche Jagdsitten und Unsitten zurückzuhalten… In eine ganz andere jagdliche Welt (Jagdkultur ?) führte uns Herbert Witzel, der seit der Pensionierung die sommerliche Hälfte des Jahres in einem Jagdhaus in Kanada verbringt. Die in unseren Augen recht kulturlose Art der Fleischbeschaffung, die die Jagd in Nordamerika noch überwiegend darstellte, führte schließlich zu einer temperamentvollen Diskussion, ob die Sitte, schon zehnjährige Jungen mit für unsere Augen unmöglichen Hilfestellungen zum Abschuss von Großwild zugelassen werden sollten.

Zum Abschluss erzählte Dr. Gilbert Titeux die Legende vom Heiligen Florentius, der in Haslach zum Patron der Jäger wurde und dem die große gotische Kathedrale von Niederhaslach gewidmet ist, in die das Forum von der „L´Ássociation Bas-Rhinoise des Chasseurs de Grand gibier“und vom „Groupement de Gestion Cynegetique de Haslach et Environs“ als Ehrengäste zum Konzert eingeladen wurde. Das Konzert mit Orgel und den Parforcehornkorps von Mergentheim (D) und Mollkirch (F) wurde zum Höhepunkt der Tagung. Etwa 400 Dorfbewohner waren ebenfalls der Einladung gefolgt und konnten den wundervollen Tönen der Gemeinsamkeit von Orgel und Parforcehorn zuhören. Das anschließende „Glas der Freundschaft“ mit den elsässischen Jäger erinnert noch einmal nicht nur an die gepflegt Jagdkultur, sondern auch an die gut gepflegten Weine des Elsass. Das wesentliches Ereignis der Mitgliederversammlung am Sonntag war der Beschluss, ein ABC der Jagdkultur/ Kompendium der Jagdkultur und eine dritte Anthologie der Jagdliteratur herauszugeben.

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