Von Volker Seifert
Accademia di Sant’Uberto ist eine in Italien einzigartige Institution, die sich der Erforschung, Bewahrung und zeitgemäßen Vermittlung der höfischen Jagdkultur widmet. Ihr Sitz befindet sich in der Nähe von Turin, einer Region, die seit dem 17. Jahrhundert eng mit der Geschichte des Hauses Savoyen und dessen prachtvoller Residenzen verbunden ist.
Gegründet wurde die Accademia Mitte der 1990er Jahre mit dem Anliegen, das kulturelle Erbe der savoyischen Jagdresidenzen – insbesondere der Venaria Reale und der Palazzina di Caccia di Stupinigi – in seiner historischen, musikalischen und gesellschaftlichen Dimension neu zu beleben. Damit greift sie ein Thema auf, das lange Zeit als Randaspekt der höfischen Kultur galt, tatsächlich jedoch eine zentrale Rolle in der europäischen Repräsentations- und Freizeitkultur spielte.
Ein Schwerpunkt der Tätigkeit liegt auf der Pflege der Jagdhornmusik. Unter dem Namen „Equipaggio della Regia Venaria“ wurde ein Ensemble gegründet, das sich der Wiederbelebung der musikalischen Tradition der Parforcejagd verschrieben hat. Die Musikerinnen und Musiker spielen auf historischen Hörnern und orientieren sich an den überlieferten Signalfolgen und Kompositionen des 18. Jahrhunderts. Ihre Aufführungen verbinden musikalische Authentizität mit szenischer Darstellung höfischer Rituale und tragen so zu einem lebendigen Verständnis historischer Jagdpraxis bei.
Darüber hinaus versteht sich die Accademia als interdisziplinäres Zentrum, das Forschung, musikalische Praxis und kulturelle Bildung miteinander verbindet. In Kooperation mit Museen, Universitäten und Stiftungen werden Studien zur Jagdgeschichte, zur ikonographischen Überlieferung und zu den gesellschaftlichen Bedeutungen der Jagd als höfischem Vergnügen durchgeführt.
Internationale Aufmerksamkeit erlangte die Institution durch ihre Rolle als italienische Repräsentantin auf der UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes im Bereich der „Kunst der Jagdhornbläser“. Damit wird die Accademia als maßgebliche Trägerin einer lebendigen europäischen Tradition anerkannt, die weit über das rein musikalische hinausweist und ein Stück kultureller Identität Europas repräsentiert.
Mit dem Programm „Sinfonie di Cultura“ verfolgt die Accademia derzeit einen modernen Ansatz, der historische Musikpraxis mit partizipativer Kulturarbeit verbindet. Ziel ist es, die Hörnerkunst nicht als museales Relikt, sondern als lebendiges Ausdrucksmittel europäischer Kultur zu begreifen. Workshops, Aufführungen, Forschungsprojekte und Bildungsangebote tragen dazu bei, die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart erfahrbar zu machen.
Die Accademia di Sant’Uberto steht damit beispielhaft für eine ganzheitliche Form der Kulturpflege, in der Musik, Geschichte, Architektur und soziale Praxis ein zusammenhängendes Bild höfischer Lebenswelt ergeben.
Weitere Informationen, Veranstaltungshinweise und Publikationen finden sich auf der Website der Accademia:
www.accademiadisantuberto.org
und auf dem Youtube-Kanal