Von Volker Seifert

Albertus Magnus (auch Albertus Theutonicus, Albertus Coloniensis; Albert der Große, Albert der Deutsche; gelegentlich auch fälschlich Albert Graf von Bollstädt und Albertus Magnus von Bollstädt genannt; * um 1200 in oder bei Lauingen an der Donau; † 15. November 1280 in Köln) war ein deutscher Dominikanermönch, Philosoph und Theologe, der besonders für seine umfangreichen Schriften zur Naturphilosophie bekannt ist. Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der scholastischen Philosophie des Mittelalters und hatte einen tiefen Einfluss auf die Entwicklung der Naturwissenschaften und die mittelalterliche Auffassung von Natur und deren Zusammenhang mit der göttlichen Ordnung. In seiner Betrachtung der Natur spielt der Begriff der „Natur“ eine zentrale Rolle, und Albertus’ naturphilosophische Ideen beeinflussten auch praktische Tätigkeiten wie die Jagd. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit seinem Naturbegriff und dessen Anwendung auf die Jagd eröffnet interessante Perspektiven auf die mittelalterliche Auffassung von Mensch, Tier und Umwelt.

1. Der Naturbegriff bei Albertus Magnus

Albertus Magnus verstand unter „Natur“ eine von Gott erschaffene Ordnung, die als rationale und geordnete Wirklichkeit das ganze Universum durchdringt. Die Natur war für ihn kein bloßes, passives System von Materie, sondern ein lebendiges Gefüge von Kräften und Prinzipien, die in einer göttlichen Hierarchie miteinander verbunden sind.

Er teilte die Natur in verschiedene Sphären oder Dimensionen auf: die himmlische, die menschliche und die irdische Natur. Der Mensch als „rationale Kreatur“ stand in einer einzigartigen Beziehung zu allen anderen Lebewesen und der Natur. Dabei ging Albertus davon aus, dass alle Wesen in der Natur einen bestimmten Zweck (telos) haben, den sie im Einklang mit der göttlichen Ordnung erfüllen. Besonders wichtig für ihn war die Annahme, dass die Natur von Gott erschaffen wurde und dass der Mensch durch die Vernunft in der Lage ist, die göttliche Ordnung in der Natur zu erkennen und zu begreifen.

Für Albertus war die Natur ein System, in dem alle Teile miteinander verbunden und aufeinander angewiesen waren. Die „Wirkung“ der Natur, die durch verschiedene Naturphänomene sichtbar wird, deutet auf die „Ursache“ (also Gott) hin. Diese Perspektive bedeutet auch, dass die Natur nicht als etwas Wildes und Chaoshaftes zu begreifen ist, sondern als eine ordnende Kraft, die das Leben und das Universum zusammenhält.

2. Der Mensch in der Natur und seine Stellung

Im Kontext der mittelalterlichen Weltanschauung war der Mensch das einzige Wesen, das fähig war, die Ordnung der Natur zu begreifen und in sein Handeln einzubeziehen. Albertus Magnus betonte die besondere Stellung des Menschen als rationales Wesen, das in der Lage ist, durch seine Vernunft die Natur zu verstehen und mit ihr im Einklang zu leben. Der Mensch ist sowohl Teil der natürlichen Welt als auch ein „Herr“ über sie, was bedeutet, dass er die Verantwortung trägt, die Natur zu verstehen, zu nutzen und in Maßen zu gestalten.

Diese Haltung ist auch in seiner Betrachtung der „Vernunft“ als Grundlage für den Umgang mit natürlichen Ressourcen erkennbar. Der Mensch hat die Aufgabe, die Natur durch seine Vernunft in ihrer vollen Ausprägung zu respektieren und zu achten.

3. Albertus Magnus und die Jagd: Ein Beispiel für den Umgang mit der Natur

Die Jagd spielte im Mittelalter eine wichtige Rolle, sowohl als Freizeitbeschäftigung des Adels als auch als eine notwendige Tätigkeit zur Nahrungssicherung. Albertus Magnus hat sich auch mit der Jagd auseinandergesetzt, wobei er sie aus einer ethischen, philosophischen und praktischen Perspektive betrachtete.

In seiner „De animalibus“ (Über die Tiere) und anderen Schriften untersucht Albertus nicht nur die physiologischen und biologischen Aspekte von Tieren, sondern auch die moralischen und ethischen Überlegungen, die mit der Jagd verbunden sind. Für Albertus war die Jagd ein Beispiel dafür, wie der Mensch in seiner Beziehung zur Natur eine Balance zwischen Nutzen und Respekt finden musste. Die Jagd durfte nicht aus reinem Vergnügen oder übermäßiger Zerstörung von Tieren erfolgen, sondern sollte in einer Weise praktiziert werden, die im Einklang mit der natürlichen Ordnung stand.

Albertus betrachtete die Tiere als Geschöpfe Gottes, die ihre eigene Rolle in der göttlichen Ordnung hatten. Während der Mensch durch seine Vernunft die Tiere und die Natur nutzen kann, sollte er dabei nie die Würde des Tieres oder den höheren Zweck seiner Existenz vergessen. Die Jagd war für Albertus somit nicht nur eine praktische Tätigkeit, sondern auch ein Akt der Verantwortung. Ein unmäßiger oder grausamer Umgang mit Tieren widersprach der göttlichen Ordnung und der natürlichen Harmonie, die durch Vernunft und Mäßigung aufrechterhalten werden sollte.

4. Die ethische Perspektive der Jagd

Albertus Magnus zog eine klare Grenze zwischen der richtigen und der falschen Nutzung von Tieren und Ressourcen. Die Jagd konnte für den Menschen eine Möglichkeit sein, sich von der Schöpfung zu nähren und die natürliche Welt in einem geordneten und respektvollen Rahmen zu verstehen. Doch die Jagd musste stets im Einklang mit der göttlichen Ordnung und dem Prinzip der Mäßigung stehen. Dies bedeutet, dass übermäßiges Töten oder grausames Handeln gegenüber Tieren als unethisch und moralisch verwerflich angesehen wurde. Albertus vertrat die Auffassung, dass die Menschen in ihrer Rolle als Hüter der Natur Verantwortung übernehmen und die Tiere mit Respekt behandeln sollten.

Darüber hinaus betrachtete Albertus Magnus die Jagd auch als eine Möglichkeit, menschliche Tugenden wie Geduld, Disziplin und Besonnenheit zu fördern. In diesem Sinne war die Jagd für den mittelalterlichen Menschen nicht nur ein körperlicher Akt, sondern auch eine moralische und geistige Übung.

5. Fazit

Albertus Magnus' Naturbegriff spiegelt eine Weltanschauung wider, in der der Mensch durch seine Vernunft und ethische Verantwortung eine aktive Rolle in der Natur spielt. Die Jagd, als eine Praxis des Mittelalters, wurde von Albertus nicht nur als ein praktisches Unterfangen zur Nahrungsbeschaffung, sondern auch als ein Akt des respektvollen Umgangs mit der göttlichen Schöpfung betrachtet. Durch seine Auseinandersetzung mit der Jagd und den Tieren im Allgemeinen trug Albertus dazu bei, das Verständnis von Natur und Ethik im Mittelalter zu prägen. Dabei blieb die Jagd eine Aktivität, die durch Maßhalten und Rücksichtnahme auf die göttliche Ordnung und die Würde der Schöpfung charakterisiert werden sollte. In einer Zeit, in der das Verhältnis des Menschen zur Natur und zu Tieren oft auf einer hierarchischen und utilitaristischen Grundlage beruhte, bot Albertus Magnus einen differenzierten, verantwortungsvollen Zugang zur Jagd und zu den Naturphänomenen insgesamt.