Von Dr. Georg Urban

Alaska, im Mai 1977

 

Als mein Vater gegen Ende seiner Jägerkarriere sich nochmals belohnen wollte, entschied er sich für einen „Frühjahrs-Grizzly“ in Alaska. Er nahm mich mit; auch ich hatte einen „Tag“ frei. Die Jagd erfolgte vom Boot aus und sollte Bären gelten, die mit den Pranken die abgelaichten Lachse fangen. Ich schoss gleich anfangs einen Schwarzbären, während sich Vaters Jagd dahinzog.

Der Jagdführer und Vater, der mich als Unruhestifter loswerden wollte, setzten mich auf einer der vielen kleinen Inseln ab – mit Zelt, Bewaffnung und Verpflegung für zwei Tage und Nächte, ohne Handy. Und noch etwas: einem „Bate“, einer Robbe, die wir erlegten und die wegen des Gestankes in einem Beiboot mit langer Leine nachgezogen wurde. An Land zerhackten wir sie in drei Stücke, die in blauen Säcken zugebunden wurden. Die Säcke wurden in drei Richtungen und etwa 100 m Entfernung an Ästen hochgezogen, etwa einen Meter über dem Boden.

IMG 5076Die Zeit verging in meinem Versteck – Hunger, Durst, Müdigkeit, Aasgestank, etwas Angst vor der Einsamkeit und der Wildnis – alles das fühlte ich. Am zweiten Tag gegen Mittag war ich eingedöst, als ich mit halbem Auge etwas sah: einen blauen Sack, der sich bewegte. Ich folgerte: dahinter steckt der Wolf, aber er zeigte sich nicht. So peilte ich mit Beutegier auf die Diagonalenkreuzung – und schoss. Ich traf zwar nur ein Loch, aber doch erfolgreich: Ich sah einen Wolf hochflüchtig von mir wegtraben. Sobald er mir etwas querkam, schoss ich erneut. Er zeichnete zwar nicht, drehte aber auf dem „Absatz“ kehrt und lief zurück auf mich zu – wir haben später klargemacht, dass der Waldrand dahinter ein Echo des Schusses zurückwarf. Jetzt endlich hatte ich freien Blick von der Seite und erlegte ihn mit einem dritten Schuss.

Gleich knarrte das Funkgerät: „George, did you kill three wolves?“

Der Wolf war stark abgekommen. In seinem Fang steckten unzählige Stacheln vom Porcupine (Stachelschwein), die ihm das Fressen zur Qual gemacht haben müssen, sodass er das Bate auch am hellen Tag vom Hunger getrieben annehmen wollte.

Der Zollbeamte in Anchorage sagte, er habe in seinem Job noch nie einen Sommerwolf erlegt gesehen. Wölfe werden normalerweise im Winter getrappt… Das hat Stolz und Freude bereitet!