Von Volker Seifert
Im Landkreis Offenbach sorgt der Einsatz eines privaten Dienstleistungsunternehmen zur Schwarzwildbekämpfung für erhebliche Kontroversen. Beauftragt wurde die ProSchutz GmbH, die für mehrere hunderttausend Euro Wildschweine erlegen sollte – im Revier eines Pächters, der von der Aktion weder informiert noch einbezogen wurde. Das Ergebnis: lediglich 32 Tiere. Die ProSchutz GmbH setzt modernste Technik ein, darunter Drohnen für Monitoring, Kitz- und Kadaversuche, und versteht sich als jagdlich geführte Organisation für professionelles Wildtiermanagement.
Juristische Zweifel
Fachjuristen sprechen von einer rechtswidrigen „Ersatzvornahme“. Eine Behörde darf externe Dienstleister nur einsetzen, wenn der zuständige Pächter seine Pflicht zur Bestandsregulierung nicht erfüllt. Im konkreten Fall liegen jedoch Nachweise vor, dass der Pächter seine Jagdintensität gesteigert, zusätzliche Schulungen absolviert und in Fallen investiert hatte. Auch eine formelle Androhung oder Fristsetzung, wie sie vorgeschrieben wäre, blieb aus. Damit steht der Vorwurf im Raum, dass die Maßnahme von Beginn an rechtswidrig war.
Darüber hinaus wird der Abtransport erlegter Tiere kritisch bewertet. Da die Genehmigung hierzu keine Regelung enthielt, könnte das Aneignen und Entfernen des Wildes als Jagdwilderei einzustufen sein. Parallel besteht der Verdacht auf Verstöße gegen Hygienevorschriften, weil Wildkörper nicht vorschriftsgemäß transportiert wurden – ein sensibles Thema angesichts der Afrikanischen Schweinepest.
Fragen der Waidgerechtigkeit
Auch jenseits der Rechtslage werfen die angewandten Jagdmethoden ethische Probleme auf. Die behörtliche Genehmigung soll den Abschuss führender Bachen und den Einsatz halbautomatischer Waffen mit erweiterten Magazinen erlaubt haben. Zudem war vorgesehen, Frischlinge mit Schrot aus kurzer Distanz zu töten. Solche Praktiken widersprechen den Grundsätzen der Waidgerechtigkeit, die auf Respekt vor dem Wild und die Vermeidung unnötigen Leidens abzielt. Kritiker warnen, dass der Abschuss von Muttertieren unweigerlich zum Verenden von Jungtieren führt und damit tierschutzwidrig ist.
Sicherheitsrisiken im Revier
Hinzu kommt ein weiteres Problem: Während die beauftragte Firma nachts mit Drohnen, Scheinwerfern und Schusswaffen operierte, war der Pächter selbst regelmäßig auf der Jagd. Mangels Abstimmung bestand damit die reale Gefahr, dass sich beide Gruppen in die Quere kamen – ein klarer Verstoß gegen das Bundesjagdgesetz, das Jagdhandlungen untersagt, wenn dadurch Menschenleben gefährdet werden könnten.
Politische Dimension
Die finanziellen Aspekte verschärfen die Debatte. Mindestens eine halbe Million Euro aus öffentlichen Mitteln sollen in den Einsatz geflossen sein. Angesichts der geringen Zahl erlegter Tiere erscheint das Verhältnis von Kosten und Nutzen zweifelhaft. Parallel verweigert der Landkreis bislang detaillierte Auskünfte zu den tatsächlichen Kosten – unter Berufung auf Geschäftsgeheimnisse. Juristen halten diese Argumentation für nicht tragfähig, da es um die Verwendung von Steuergeldern geht.
Signalwirkung über Hessen hinaus
Der Fall hat das Potenzial, zu einem Präzedenzfall zu werden. Sollte ein Gericht bestätigen, dass die Maßnahme rechtswidrig war oder sogar Wilderei darstellt, hätte dies Konsequenzen für künftige ASP-Bekämpfungsstrategien in Deutschland. Zudem steht das Vertrauen zwischen Jägerschaft, Behörden und Öffentlichkeit auf dem Spiel.
Fazit
Die Auseinandersetzung im Kreis Offenbach ist mehr als ein lokaler Streit um Wildschweine. Sie berührt zentrale Fragen von Rechtsstaatlichkeit, Tierschutz, Sicherheit und verantwortungsvollem Umgang mit öffentlichen Geldern. Während die juristische Aufarbeitung noch am Anfang steht, ist eines bereits klar: Der „Oberwald-Einsatz“ wirft ein Schlaglicht auf ein Vorgehen, das sowohl rechtlich als auch ethisch hochproblematisch erscheint. Neben den Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der behördlichen Maßnahme ist es höchst problematisch, wenn eine Firma damit betraut wird, die fachlich nicht in der Lage ist, diese ordnungsgemäß durchzuführen.