Von Prof. Dr. Johannes Dieberger

In diesem Teil des geschichtlichen Rückblicks auf die Entstehung und den Werdegang des St. Hubertus zeigt uns der Autor die Veränderungen der Gesellschaft zur Jagd, deren Auswüchse und die der damaligen Zeit gemäßen Einstellungen und Auffassungen auf.

 

Eingriffe in die Schöpfung

Bildschirmfoto vom 2024 02 18 20 21 29Die technische Entwicklung zur Zeit der Jahrhundertwende ließ die Menschen glauben, fast alles sei machbar, nur das Altern und den Tod konnten sie bis heute nicht besiegen. Und so meinte man auch, man müsse die Lebensgemeinschaften des Wildes verbessern, da Gott Vater bei der Erschaffung der Welt offensichtlich ein paar Fehler unterlaufen waren. Die Raubwildarten hatten für die Jäger des Mittelalters und der Renaissance einen hohen Stellenwert, da sie einerseits seltener als herbivore Arten ( = Pflanzenfresser) waren und andererseits die Jagd auf karnivore Arten ( = Fleischfresser) mehr Mühe verursachte. Diese Jagd war also eines Ritters würdig. Das wertvolle Wildbret des Raubwildes wurde nur an die Hofküche geliefert, bei Raubfischen ist diese Wertschätzung bis heute erhalten geblieben. Im Barock kam es zu einer jagdpolitisch motivieren Ächtung des Raubwildes und des Raubzeuges. Die negative Einstellung zu diesen Wildarten hat sich insbesondere in Österreich und Tschechien bis heute erhalten, vor hundert Jahren waren unsere Vorfahren sehr bemüht, gemäß damaligen Kenntnisstandide unerwünschten Arten nicht zu bejagen, sondern vielmehr auszurotten.

(Abb. rechts: Josef Anton Strassgschwandtner, Treibjagd auf Wölfe (ca, 1860))

Neue Arten tauchen auf

Andererseits war man in der Zeit vor und nach der Wende zum 20. Jahrhundert sehr bemüht, die Lebensgemeinschaften durch Ansiedlung von verschwundenen Arten bzw. von Exoten aufzuarten. Für Fasan und Damwild interessierten sich die hohen Jagdherrn schon seit Jahrhunderten, In Tiergärten hat man seit dem Barock nicht nur Schwarzwild und Damwild, sondern auch Muffelwild gehalten. So wie unsere Fasane sind Mufflons verwilderte, halb domestizierte Arten, die streng genommen in der freien Wildbahn nicht erwünscht sind. Aber vor hundert Jahren nahm man das nicht so genau, man war schon zufrieden, wenn die angesiedelten Exemplare halbwegs wildfarbig aussahen, denn von genetik hatten die Jäger nur wenige Kenntnisse.

Schon 1860 ließ Erzherzog Leopold Ludwig, der auf Schloss Hernstein wohnte, auf der Hohen Wand (Niederösterreich, am Alpenostrand) fast auf 1.000 m Seehöhe ein Wildgatter für Muffelwild errichten. Er wollte damit untersuchen, ob die Wildart in dieser Höhe überdauern kann bzw. ob Blendlinge des Mufflons fortpflanzungsfähig seien. Zu diesem Zweck ließer das gehege mit Muffelwild aus den Donauauen und mit Zackelschafen besetzen. Die vorerst verschiedenfärbigen Zuchtprodukte wurden nach mehreren Generationen wildfarben, an einigen europäischen Muffelvorkommen kann man diese Einkreuzung auch heute noch erkennen. Leopold Ludwig versuchte auch Steinwild auf der Hohen Wand anzusiedeln. Hatte damit aber keinen Erfolg. Der Erzherzog lag mit diesen Versuchen im Trend der Zeit. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gab es unzählige Versuche zur Ansiedlung von Exoten oder von exotischen Unterarten. Mit der Einkreuzung von fremden Provenienzen wollte man den Wildbestand "aufarten" und insbesondere die Trophäenqualität verbessern.

Plass-Horn und Wisenthege

Bildschirmfoto vom 2024 02 18 21 38 36Als zweites Beispiel möchte ich Hans Heinrich XI: von Hochberg, Fürst von Pless anführen, der 1863 das Fürst-Plass-Horn erfand. Das kleine Fürstentum Pless liegt in Oberschlesien, war einst Teil der Habstburger Monarchie, später gehörte es zu Preussen und heute zu Polen. Fürst Hans Heinrich verfügte über Liegenschaften in Fürstenstein (Niederschlesien) über 25.000 ha samt Schloss in Pless und ein Jagdgebiet in den Salzburger Alpen. Er war ein begnadeter Organisator von Gesellschaftsjagden. Förderer der Jagdkultur und Wildheger nach damaligen Vorstellungen. Er förderte die Fasanenzucht, die Damwildzucht und Begann 1865 auch die Zucht des Wisent, die noch heute in Pless besteht. Den Start machte er mit vier Wisenten aus Bialowieza, die er von Zar Alexander II. im Tausch gegen 20 Hirschen aus dem berühmten Rotwildvorkommen in den Wäldern von Pless erhielt. Dieses Projekt war sehr erfolgreich, in den Jahren 1869 bis 1903 konnten aus dieser Population 27 Wisente, die man damals als Auerochsen bezeichnete, erlegt werden. Ein Exemplar davon wurde 1898 von Erzherzog Franz Ferdinand, dem späteren Thronfolger, gestreckt.

1871 avancierte der preussische König Wilhelm zum Kaiser Wilhelm I. und berief Fürst Hans Heinrich im folgenden Jahr in das Amt des Oberstjägermeisters und Chef des Hofjagdamtes, diese Stellung bekleidete er bis 1892. Im Jahr 1891 wurde er zum Großmeister des "St. Hubertusorden vom weißen Hirschen" berufen, den Karl Friedrich von Hohenzollern 1859 gestiftet hatte. 1905 verlieh Kaiser Wilhelm II. dem Fürsten noch den begehrten Titel eines Herzogs. Vor hundert Jahren war auch in Preussen die Jagd noch mit viel monarchistichem Gepräge versehen

(Bild rechts: Hans Heinrich XI. von Hochberg auf Fürstenstein und Fürst von Pless in seinem Salzburger Gebirgsrevier)

Erstabdruck: St. Hubertus, 3/2002, S. 17ff.