Von Gert G. von Harling

Allzeit guten Anblick hatte mal eine andere Bedeutung

Achtung: Kitzrettung!

Der Einsatz von Drohnen durch Jäger kann zukünftig zu großen Problemen führen. Urteile zum Thema „Mähtod“ bewegen sich von Freispruch über Geld- bis hin zu Freiheitsstrafen. Die Gründe, weswegen Rehkitze getötet oder verstümmelt werden, sind vielfältig: Unwissenheit, Zeitnot, Gleichgültigkeit oder schlecht ausgebildete Hunde, Unfähigkeit oder mangelnde Kooperation bzw. Absprache zwischen Jäger und Landwirt.

Öffentlichkeitswirksame Meldungen über Einsätze von Drohnen, mit denen Jäger landwirtschaftliche Flächen absuchen, um Kitze vorm Tod unter dem Kreiselmäher in Sicherheit zu bringen, nehmen zu. Auch wackere Waidmänner, die sich nie um die Rettung von Rehkitzen gekümmert haben, „bewaffnen“ sich neuerdings mit Drohnen, und manch ein Stadtbewohner ist gerührt von der Selbstlosigkeit. In der Presse heißt es dann: „Jägerschaft Hubertusburg erfolgreich zwölf hilflose Rehkitze gerettet“ und „Kreisjägermeister stolz: 21 kleine Rehe vor dem Verstümmeln bewahrt“ oder „Jäger schießen nicht nur, sie helfen auch Reh Babys“.

In gleichem Maße werden Landwirte, die nicht genügend Vorkehrungen treffen, um den Tod von Jungwild durch Mähmaschinen zu vermeiden, von Gerichten verurteilt. Verständlicherweise versuchen sie sich davor zu schützen, und hier drohen uns Jägern Probleme, beispielsweise, wenn aufgrund unsicherer Wetterlage Bauern den Jagdausübungsberechtigten erst kurzfristig verständigen können. „Morgen früh will ich die und die Fläche mähen oder mulchen, aber nur, wenn das Wetter so bleibt“, heißt es dann, „der Jäger möge sich darum kümmern, dass dort keine Kitze liegen“. Weder zeitlich noch personell ist das oft nicht zu bewerkstelligen, zumal, wenn der Jäger weit entfernt vom Revier wohnt. Im Falle eines „Unglücks“ kann er dann allerdings anstelle des Landwirts ebenfalls strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Landwirte wiederum können sich ihrer Verantwortung entziehen und nach dem Tierschutzgesetz dem Jagdpächter die Schutzmaßnahmen über den Jagdpachtvertrag aufdrücken.

Tierschutz - laut Art. 20 GG Staatsziel - bedingt, dass vor der Mahd Maßnahmen für die Rettung von Jungwild getroffen werden müssen, und nach § 3 BJagdG der Eigentümer des Jagdrechts, meist der Landwirt, zur Hege verpflichtet ist. § 1 des Tierschutzgesetzes bestimmt zu dem, dass niemand ohne vernünftigen Grund Tieren Leiden und Schmerzen zufügen darf. Nach § 39 Abs. 1 BNatSchG ist außerdem verboten, wildlebende Tiere mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu verletzen oder zu töten.

Mähen ohne Schutzmaßnahme ist noch kein vernünftiger Grund ein Tier zu verletzen oder zu töten. Nach dem Verursacherprinzip sind aber primär der Landwirt und der Fahrer/Maschinenführer für das Absuchen der Flächen verantwortlich. Der Jagdausübungsberechtigte hat zwar eine Mitwirkungspflicht allerdings ist es der Landwirt, der durch die Mähmaßnahmen eine Gefahr setzt.

Überdies haben auch Bauern (Grundeigentümer oder Pächter) eine Hegeverpflichtung - die Hege eines gesunden, artenreichen Wildbestandes ist schließlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe - Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um das Ausmähen von Kitzen zu vermeiden, die Beauftragung eines Lohnunternehmers entbindet sie nicht davon.

Nach diesem juristischen Exkurs in die raue Praxis:

Wegen klimatischer Veränderungen und entsprechendem Äsungsangebot setzen Ricken jahreszeitlich früher als noch vor einem oder zwei Jahrzehnten. Zudem wächst der Anteil der Ökolandwirtschaft, und der Zwischenfruchtanbau (anstelle von Dünger) mit Gefährdungscharakter zur Setzzeit nimmt zu.

Weitergedacht:

Für BUND, NABU etc. könnte es sehr werbewirksam sein, sich in die Kitzrettung einzuschalten - das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fördert die Anschaffung von Drohnen – und es besteht auch für Naturschutzverbände eine willkommene Möglichkeit die Bevölkerung von der Sinnhaftigkeit und dem Goodwill ihrer Organisation zu überzeugen und Spenden zu generieren, um an den Fördermitteln teilzuhaben. Rehkitze sind süß und lassen sich gut vermarkten. Mit anderen Worten, das Geschäft mit Rehkitzen würde blühen. Bestes Beispiel sind junge Seehunde – willkommene Geldquelle für die Tourismusindustrie sowie Naturschutzorganisationen aber zum Schaden der Seehundpopulation.

Manch Jagdgenosse liebäugelt vielleicht damit, dem nörgelnden Jagdpächter aus der Stadt eins auszuwischen, und jemanden aus dem befreundeten Tierschutzverein vor Ort mit der Kitzrettung zu beauftragen. Schließlich weiß jedes Kind: Tierschutz-, Tierrettungs- und Tierrechtsorganisationen sind Fachleute, die Domäne der Jäger ist das Totschießen.

Ein Konzept der Jägerschaft, des Bauernverbands und wirklicher Autoritäten ließe ein sinnvolles Miteinander mit Landwirten und anderen Tierschützern erzielen, bevor andere dieses lukrative Geschäftsfeld für sich entdecken und weitere Gutmenschen, Ideologen und sonstige moderne Waldgeister ihr Unwesen in unseren Revieren treiben dürfen - wenn nicht, gute Nacht!

Zu guter Letzt

Als ich nach einer Jagd im Norden Kanadas wegen eines Schneesturmes mehrere Tage und Nächte mit einheimischen Mitjägern im Iglu verbringen musste, fragten sie mich, wie wir im fernen Europa jagen, und ich berichtete von Abschussplänen, Kirrungen, geschlossenen Kanzeln sowie geharkten Pirschsteigen und erzählte von der Technik, die das ursprüngliche Jagen in Deutschland verdrängt.

"Das ist bei uns Aufgabe der Ranger, wie jagt ihr?"

Nach dieser Frage eines "Wilden" musste ich als "kultivierter" Jäger an die Worte meines alten Lehrmeisters Wildmeister Mackerodt denken als ich nach seiner Pensionierung mit ihm vor dem Kamin saß und fragte, wer von den vielen Jagdgästen, die er im Laufe seines langen Berufsjägerlebens geführt hatte, den größten Eindruck bei ihm hinterlassen hat. Die Antwort ließ auf sich warten: "Die meisten von ihnen haben unter Führung erfahrener Berufsjägers Elche, Büffel und Bären geschossen und waren mit ihrer technischen Ausrüstung auf dem neuesten Stand, aber sie nahmen mit ihrer technischen Überlegenheit dem Wild jegliche Identität, Freiheit und Ursprünglichkeit - jagen, wirklich jagen konnten die wenigsten von ihnen."

Von dem alten Wildmeister der zwischen naturverbundenen Waidmännern, Gelegenheitsjägern sowie Wildbewirtschaftern unterschied habe ich viel gelernt und den Ausspruch des preußischen Königs Friedrich II. übernommen „Jeder soll nach seiner Façon selig werden“. Ich glaube diejenigen, die mit dem Herzen jagen, sind die glücklichsten von den drei Kategorien.