Von Prof. Dr. Johannes Dieberger

In diesem Teil des geschichtlichen Rückblicks auf die Entstehung und den Werdegang des St. Hubertus wird vor allem auf die Veränderungen der Gesellschaft hinsichtlich der Einstellung und der Bewertung der Trophäen eingegangen.

 

Seit dem späten Mittelalter gab es immer wieder Aufständer der Bauern und der Bürger gegen die Unterdrückungen durch die Adligen, wobei das zu hart empfundene Jagdrecht meist als Auslöser fungierte. Die Bauernaufstände wurden stets niedergeschlagen und die jagdlichen Ungerechtigkeiten in der Folge eher verschärft. Erst unter Kaiserin Maria Theresia und ihrem Sohn Josef II. gab es Erleichterungen - insbesondere im Interesse einer erfolgreichen Landwirtschaft.

Nur er Revolution von 1848 gelang es, nachhaltig Verbesserungen für die untertänige Bevölkerung zu erzwingen. Ab nun kam es zu umfangreichen rechtlichen Veränderungen, die auch heute noch wirksam sind: So zum Beispiel hob der Kaiser die Leibeigenschaft und das Untertänigkeitsverhältnis auf. 1867 folgten darauf noch fünf Staatsgrundsatzgesetze über die Reichsvertretung, die Regierungs- und Vollzugsgewalt, Einsetzung eines Reichsgerichtes, über die richterliche Gewalt und die allgemeinen Rechte der Staatsbürger.

Die Auswirkungen der Revolution

Bis zur Revolution galt noch das Jagdpatent von 1786, das Josef II. erlassen hatte. Die Jagdberechtigung war bis dahin ein dingliches Recht, das durch Kauf, Tausch, Schenkung oder Erbschaft erworben werden konnte.  Am 7. März 1849 wurde ein neues Jagdpatent erlassen mit dem das Jagdrecht an das Grundeigentum gebunden wurde. Ab diesem Zeitpunkt gab es bei uns (fast) kein Jagdrecht mehr auf fremden Grund und Boden. Weltweit gesehen, war die eine eher ausgefallenen Form der Gestaltung des Jagdrechts, denn in den meisten Ländern ist der Staat der Eigentümer eines Jagdregals, das nach Bestimmungen des jeweiligen Jagdgesetzes an Interessenten vergeben wird. Alles zusammengenommen, waren dies gewaltige rechtliche Änderungen, daher gab es in der Folge auch bei der Jagdausübung bedeutende Änderungen.

Nunmehr konnten in den österreichischen Kronländern (und einigen anderen Staaten) alle Bürger - zumindest theoretisch - an der Jagd teilhaben. Es darf uns daher nicht verwundern, dass es im deutschsprachigen Mitteleuropa zu einem jagdlichen Wertewandel kam, der zum größtenteil vor etwa hundert Jahren abgeschlossen war. Einiges davon bereitet uns noch heute viele Probleme, obwohl dies vielen von uns Jägern gar nicht bewusst ist. Das betrifft insbesondere unser eigenartiges Streben nach kapitalen Trophäen samt den daraus resultierenden Folgen.

Ein neues Interesse an Trophäen

Der Begriff Trophäe für Geweihe, Gehörne und andere Teile von erlegten Wildtieren fand erst ab Beginn des 20. Jahrhunderts Verwendung. In der Jagdliteratur des 19. Jahrhunderts wird man dieses Wort vergeblich suchen, das gilt auch für achtbändige "Allgemeine Encyklopädie der gesamten Forst- und Jagdwissenschaften", die 1886 bis 1894 erschienen ist bzw. für andere Jagdlexika. Eine erste Nennung dieses Begriffes fand ich in dem Buch "Die Jagd", welche Fritz Skowronnek im Rahmen der "Sammlungs kulturgeschichtlicher Monographien" im Jahr 1901 herausbrachte. Da kann man im Kapitel VII über Geweih und Gehörn lesen: "Noch heutzutage werden die einzelnen Stangen des abgeworfenen Geweihs zu allerlei Geräten für Jagdzimmer verarbeitet. die schädelechten Geweihe und Gehörne, die durch Erlegen des Trägers gewonnen sind, gelten als ehrenvolle Jagdtrophäe, mit denen jeder Waidmann, im Fürstenschloss wie im einfachsten Jagdhaus, gern sein Heim schmückt." Der Ausdruck war damals noch nicht üblich, daher fand er in diesem jagdkulturellen Werk auch nur einmal Verwendung. Ab der 1. Internationalen Jagdausstellung 1910 in Wien - also etwas zu der Zeit, als der "St. Hubertus" erstmals erschien - war aber der Begriff Trophäe für Geweihe und Gehörne des Wildes in der Jägerschaft bzw. in der Jagdliteratur schon allgemein in Gebrauch.

Der Begriff "Trophäe"

Unter Trophäen verstand man ursprünglich - im antiken Griechenland - kriegerische Siegeszeichen. Die Verwendung dieses Begriffes, auch bei der Jagd beweist eine gewisse Nähe des Waidwerks zum Kriegshandwerk, die von der Antike bis zum Ersten Weltkrieg - durchaus erwünscht - bestand. Da es in früheren Jahrhunderten kaum ein Interesse an jagdlichen Siegeszeichen gab, kam aber niemand auf die Idee, Geweihe und andere Teile des erlegten Wildes als Trophäen zu bezeichnen. Heute lehnen wir eine Nähe der Jagd zum Krieg vehement ab, nur der relativ junge Begriff Jagdtrophäe erinnert noch an die früheren Verhältnisse.

Geweihe und Gehörne erfreuten sich schon in der Steinzeit einer höheren Wertschätzung, sie waren wertvolle Werkstoffe zur Herstellung von Waffen, Werkzeugen und anderen Gebrauchsgegenständen. Aus Geweihen fertigten unsere Vorfahren unter anderem Speer- und Pfeilspitzen. Diesen waren zwar weniger scharf als Steinspitzen, dafür wesentlich widerstandfähiger. Man machte daraus aber auch Speerschleudern, Grabwerkzeuge oder Nähnadeln und vieles andere mehr. Hörner diensten als Gefäße, als Signalinstrumente und, in Streifen geschnitten, als federnde Elemente in Reflexbögen. Cäsar berichtet in seinem Buch "De Bello Gallico" auch von den Germanenstämmen, bei denen es üblich war, dass junge Burschen versuchten, einen Auerochsen alleine zu erlegen. Wenn sie mit den Hörnern eines bezwungenen Stieres zurückkamen, durften sie sich zu den Kriegern, des Stammes zählen. Stärkere Hörner verhalfen den jungen Kriegern zu höherem Ruhm, als wenn sie schwächere Stirnwaffen mitbrachten, es waren das also frühe Beispiele von Jagdtrophäen in unserem heutigen Sinne. Geweihe fanden die meisten Jäger dagegen erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als jagdliche Siegeszeichen begehrenswert.

Erstabdruck: St. Hubertus, 4/2012, S. 28ff.