Von Prof. Dr. Georg Urban
„Jäger sind Mörder!“ lautete ein Plakat bei den Demonstrationen zur Jagdgesetznovellierung auf dem Stuttgarter Schlossplatz im Jahr 2015. Noch im Februar 2021 denke ich darüber nach. Ich stapfe Corona-einsam durch den tiefen Schnee in meinem Jagdrevier. Da beobachte ich einen Sprung Rehe, der nicht flüchtig abspringen kann – trotz seiner besseren Ausstattung mit Sinnesorganen und Instinkten ist er gefangen im Tiefschnee. Und mein Hund kommt auch nicht voran.
Da denke ich: jeder von uns, ob Reh, Hund, Mensch ist ganz gleich vor den Naturgewalten, sei es Schnee oder Pandemie . Und: Sind wir Menschen nichts anderes als diese Tiere – in einigen Fähigkeiten weiterentwickelt, in anderen nicht (ein bekanntes Philosophiebuch ist sogar überschrieben „Der Mensch - ein Mängelwesen“, allerdings mit Fragezeichen). Seit der Antike wird diskutiert, ob und wie ein Unterschied zwischen einem Menschen und einem (hochentwickelten) Tier sei.
Die Antwort ist nicht allein aus der Naturwissenschaft zu folgern. Wer nur fragt, wer denn von beiden besser hören, sehen, fühlen, sich freuen oder leiden kann, der muss diesem Urteil folgen: das können gleichermaßen Mensch als auch Tier, wenn auch in abgestufter Form. Wer aber z.B. fragt, welcher von beiden uneigennützig mildtätig handeln kann, wer Verkehrsregeln erlassen und einhalten kann oder wer zum Mond fliegen kann, der also räumt dem Menschen „Alleinstellungsmerkmale“ ein – und sieht einen prinzipiellen und nicht nur einen graduellen Unterschied zum Tier. Wissenschaftlich: nur der Mensch hat Fähigkeiten zur Nächstenliebe aber auch zur Abstraktion und Koordination.
Aber reicht diese nur biologische Unterscheidung aus? Danach wäre der Mensch ja nur ein „Super-Tier“.
Dies Tier spielt allerdings in einer anderen Liga: Nur der Mensch hat eine Geist-Seite, mit der er u.a. über den Tod nachdenkt. Er vertraut auf diese Seite, dass er damit seinen leiblichen Tod überleben kann. Christen nennen dies die Seele – und können nicht anerkennen, dass die „Mitgeschöpfe Tiere“ ebenfalls eine Seele haben sollen, - dann, wenn man diesen Begriff mit der Überlebensfähigkeit verbindet. So bietet sich eine Einigungsformel an: Auch Menschen haben eine Tierseite, das ist Wissen. Von ihrer Geistseite jedoch heben sie sich auch prinzipiell ab, das ist Glauben.
So oder so sind die Menschen zur Schöpfungsbewahrung verpflichtet. Sowohl unser Grundgesetz als auch der Auftrag aus dem Alten Testament zur „Untertanmachung“ der Erde (mit Tieren darauf) sind keine Zerstörungsfreigaben, sondern beinhalten eine strikte „Haushaltsverantwortung“ – und diese ist wesentlicher Bestandteil unserer Jagdethik.
Zur anfänglichen Frage: Wenn wir die Menschen mit Tieren gleichsetzen würden, dann vermenschlichen wir sie - und unser jagdliches Töten wäre tatsächlich „Morden“.