Gastbeitrag von Wildmeister Dieter Bertram

Die erste Jagdzeitung mit dem Titelbild eines Cocker-Spaniels kaufte ich als Jugendlicher für 80 Pfennige. Es war die "Deutscher Jägerzeitung - Das Waidwerk" aus Melsungen vom 01. September 1951. Sie hat immer noch einen besonderen Platz in meinem Archiv, zum Teil hundert Jahre alter Jagdzeitungen.

Auf dem Land aufgewachsen, vom Elternhaus und Großvater geprägt, der mit Hermann Löns befreundet war, haben Jagdzeitungen, in Ermangelung von Kinder- und Jugendbüchern in der Kriegs- und Nachkriegszeit mein Leben begleitet.

 Für die ersten kleinen Beiträge, die ich mit 15 oder 16 Jahren schrieb, antwortete der Hauptschriftleiter auf einer Postkarte "Sehr geehrter Herr Bertram" was mich Stolz werden ließ, aber den Spott meiner Geschwister einbrachte.

Für einen späteren Beitrag "Von rasselosen Hunden" teilte der Chefredakteur Dr. Walter Hetschold mit, dass er den Aufsatz an den kynologischen Leiter der Deutschen Jäger-Zeitung, Graf von Schwerin weitergeleitet habe. Das erste Honorar hatte im Vergleich zum Taschengeld eine Schwindel erregende Höhe.

Der Krieg hatte, auch für Kinder mit zwei Jahren "Schulfreiheit" Spuren hinterlassen. Wir waren nicht, wie die Jugendlichen in Corona-Zeiten von Langeweile, sondern vom Tode, vom Verhungern und Erfrieren bedroht. Wir besaßen keine Winterkleidung, die Schuhe waren verschlissen und zeigten Löcher. Gelernt wurde, als die Schule wieder geöffnet war, aus fünf Jahre alten Büchern.

In einem Land, das in Schutt und Asche lag, gab es keinen Platz für Traumatisierung und psychologischer Betreuung. Wir hatten überlebt.

Aber es gab in der Trostlosigkeit, in Ermangelung von Spielzeug und Kinderbüchern die Jagdzeitung mit Gemälden und Zeichnungen.

An ein Titelbild in der Weihnachtsausgabe erinnere ich mich, das ich mir wieder und wieder angesehen habe. Ein verschneites Forsthaus, warmes Licht dringt aus den Fenstern, der Förster am Uniformhut erkennbar, blickt soregnvoll in den Sternenhimmel, weil er gedanklich, so der Begleittext, vielleicht bei seinem Sohn ist, der sich noch in Krieggefangenschaft befindet. Im gleichen Blickfeld eine Wildfütterung.

Zu den Förstern und Jägern wollte ich einmal gehören. Das setzte sich fest, als wir Kinder sonntags auf der Ofenbank den Jägern bei den wahren und unwahren Geschichten zuhörten. Eine eigene Kaste, zu denen wir auch einmal zählen wollten.

 Aufgewachsen in der Natur, aber auch gelenkt und geleitet durch alte Jagdzeitungen, auch Jagdbücher von bekannten Jägern aus Afrika und Indien entstand eine tiefe Sehnsucht, diese Ländern kennen zu lernen.

Die Jagd auf "kapitale Zebrahengste" und Giraffen waren nicht üblich, sehr wohl die Abenteuer auf die Big Five.

Ich versuchte aus der Leihbücherei Friedrich von Gagern und Cramer-Klett zu verstehen, was erst später gelang.

Dünn und schlicht waren die Jagdzeitungen im Aufbau. Die Wildfotogarfie war nicht unbekannt, doch fehlte die heutige, technische Hochrüstung. Manipulationen von "Wildaufnahmen", bestehend aus Präparaten, Aufnahemn in Volieren, Wildkameras waren unüblich.

Julius Behnke, ein bekannter Wildfotograf sagte mir später, "Das Wild sollte wie bei der Malerei nicht bildfüllend, sondern in seinem Lebensraum dargestellt sein."

Was ist mit den Jagdzeitungen geschehen, dass sie nicht mehr zur Pflichtlektüre eines jeden Jägers zählen?

Keine repräsentative Umfrage, doch für die eigene Erkenntnis ausreichend: Es widerstrebt mir bis heute, Jagdzeitungen zu entsorgen.

In einer kleinen Jägerversammlung habe ich ca. 50 Zeitungen verschiedener Verlage ausgelegt, auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass sie zur Jagdkultur zählen, Jagd und Jäger geprägt haben. Sie konnten kostenlos mitgenommen werden.

Es war ein Reinfall, nur wenige Zeitungen fanden Interesse, was mich veranlasste, nachzuforschen, mit dem Ergebnis und der Aussage: Die jüngeren Jäger glauben sich im INTERNET ausreichend informiert. Ältere Jäger konnten sich mit der neuen Jagd und technischer Aufrüstung nicht identifizieren, habe ihr Abo lange gekündigt.

Der Vorsitzende eine Kreisjägerschaft befragt, er begnügt sich mit der Mitgliederzeitung seines Landesjagdverbandes.

Auch wenn ich viele Jagdzeitungen nicht mehr verstehe, werde ich ihnen die Treue halten, wie am Altar bei der Eheschließung "In guten und in schlechten Zeiten zusammen zu stehen".

Die Jagd, die einmal bedeutende Schriftsteller und Maler inspirierte, hat sich gewandelt nach ihrem äußeren Erscheinungsbild, nach Inhalt und Sprache.

Als sie aufhörte ein Naturerlebnis zu sein, als die Schadwildregulierung, Wildbrethygiene, bleifreie Munition, Tarnkleidung und technische Aufrüstung in den Mittelpunkt rückte, verloren nicht nur die Jagdzeitungen, sondern auch die Jäger Zustimmung in der Gesellschaft.

"Wir müssen andere Geschichten erzählen, die Jagd steht abseits und dort auch noch unter Beschuss" sagte die Europaabgeordnete Simone Schmiedtbauer, in einem Interview der österreichischen Jagdzeitung "Anblick".