Von Dr. Wolfgang Lipps
Das Forum Lebendige Jagdkultur (www.forum-jagdkultur.de) hat seine Jahrestagung 2024 im Parkhotel Surenburg in 48477 Hörstel vom 3. bis 5. Mai 2024 abgehalten. Das gut organisierte Tagungshotel liegt inmitten eindrucksvoller Pferdekoppeln, bietet angenehme Zimmer und eine gute Küche.
Die Tagung wurde eingeleitet durch das Sauerländer-Halbmond-Bläsercorps „Horrido“ Attendorn 1956. Der im Verhältnis zu den scharfen Pleßhörnern angenehm weiche und dunkle Ton der aus Kupferblech getriebenen Sauerländer Halbmonde war ein eindrucksvolles Klangerlebnis.
Die Begrüßung und der Einführungsvortrag von Prof. Dr. Johannes Dieberger stimmte die zahlreich erschienenen Mitglieder und Gäste des Vereins in gewohnt wissenschaftlich profunder und äußerst detailreicher und mit zahlreichen Abbildungen unterlegter Weise auf den intensiven Verlauf der weiteren Veranstaltung ein.
Wildmeister Dieter Bertram, dessen Wirken als langjähriger Berufsjäger deutschlandweit bekannt ist, sprach über die „Jagd im Wandel“ insbesondere im Hinblick auf „gestern, heute und morgen“ und mit einem Rückblick über 70 Jahre seines Wirkens und zugleich einen Ausblick. Angesichts der gegenwärtigen Entwicklung der Jagd, des Jagdrechts und der Jagdkultur in Deutschland ist es nicht verwunderlich, dass in seinem Vortrag einige pessimistische Tendenzen durchaus zutreffend benannt wurden.
Bild: Sauerländer-Halbmond-Bläserkorps "Horrido" Attendorn 1956 e.V. bei der Begrüssung (Volker Seifert)
Dr. Wolfgang Lipps nahm sich in seinem Vortrag „Jagdtechnik und Weidgerechtigkeit – ziemlich beste Freunde, oder?“ – der rasanten Entwicklung insbesondere der technischen Hilfsmittel für die Jagd an und bezog sich dabei insbesondere, aber nicht ausschließlich, auf die Nachtzieltechnik und den Einsatz von Drohnen auf der Jagd. Er legte dar, dass man diese Hilfsmittel, die aus dem Jagdgeschehen nicht mehr wegzudenken sind, unter dem Gesichtspunkt der Weidgerechtigkeit von 2 Seiten her betrachten muss: vom Jagenden her gesehen darf eine feste Grenze (Ortega y Gasset) nicht überschritten werden, und vom Wildtier her gesehen verlangen die Hegeverpflichtung und das Prinzip der Nachhaltigkeit äußerste Zurückhaltung insbesondere zur Nachtzeit.
Für den Verein von zukunftsweisender Bedeutung war, das Prof. Dr Georg Urban die Ergebnisse der vereinsinternen Kompetenzgruppe "Digitalisierung" erläuterte.
Heinrich Uhde (Jurist, Sachbuchautor, Hundeführer und Ehrenpräsident des Jagdgebrauchshundverband) gab einen außerordentlich detailreichen Überblick über die Geschichte des Jagdgebrauchshundewesens in Deutschland.
Nachdenklich mussten die Betrachtungen vom 1. Vorsitzenden des Klub für Bayerische Gebirgsschweißhunde 1912 e.V. Michael Knitter machen, einem außerordentlich erfahrenen Hundeführer und vor allem Nachsuchenführer. Er beleuchtete die Nachsuche als Spiegelbild der jagdlichen Moral und musste dabei feststellen, womit er sich an die Ausführungen von Lipps anschließen konnte, dass die Verwendung von Nachtzielgeräten in größerem Maße zu Weitschüssen, Weidwundschüssen und zahlreichen Fehlerlegungen führt. Das sind durchaus gewichtige Argumente vielleicht nicht unbedingt gegen den Einsatz von Nachtzielgeräten, aber für ihre außerordentlich sparsame tierschonende und selektive Verwendung. Er betonte, das der Einsatz von Nachtzieloptiken nur auf Schadflächen im Feld und unter Verwendung eines Schalldämpfers vertretbar sei.
Den Abschlussvortrag hielt der renommierte Unternehmensberater Dr. Gerd Kalkbrenner. Sein Vortrag stand unter dem zunächst befremdlichen Titel „Jagen im Anthropozän“. Tatsächlich schilderte er in sehr eindrucksvoller Weise und mit zwingenden Folien jagdliche Haltungen und jagdliche Praktiken auf dem Prüfstand nicht nur der Jagdethik und Tierethik, sondern der jagdlich vertretbaren Möglichkeiten überhaupt. Ein Vortrag, der jeden Zuhörer zum Nachdenken zwang.
Den Ausklang des Tagungsteils (vor der vereinsinternen Jahreshauptversammlung) bildete eine eindrucksvolle Hubertusmesse, die von den Parforcehornbläsern der Jagdhornbläsergruppe Münster-Rüschhaus in bewundernswerter Weise gestaltet wurde.
Bild: Jagdhornbläsergruppe Münster-Rüschhaus