Von Gert G. von Harling
Allzeit guten Anblick hatte mal eine andere Bedeutung
Als Jäger noch Jäger waren - vom edlen Waidwerk zum technischen Töten
Im Mittelalter, etwa bis Ende des 15. Jahrhunderts, galt Jagd auch als Freizeitbeschäftigung des Hohen Adels. Das höfische Waidwerk stellte in deutschen Landen besondere Ansprüche und verlief unter strengen Regeln. Es diente der Körperertüchtigung, stellte den Mut des Jägers auf die Probe und musste anstrengend und kunstvoll sein, um den hohen Ansprüchen der ritterlichen Waidmänner zu genügen. Wer mutig, stark und sportlich war, galt als guter Jäger. Die Zeiten sind Vergangenheit. Attribute, die einen hirsch- oder waidgerechten Jäger ausmachen, werden verdrängt oder haben sich gewandelt. Es ist nicht mehr das Messen der eigenen Sinne mit denen des Wildes oder des körperlichen Einsatzes zwischen Jägern und Gejagten, es ist eher ein Abschießen der instinktgetriebenen angelockten Kreatur. Das alte Waidwerk, ehemals eine Kunst, eine naturverbundene Tätigkeit verkommt zu einer technischen Erfassungs- und Tötungshandlung.
Früher suchte der passionierte Jäger Ursprünglichkeit, ein uriges, naturnahes, sogar spartanisches Leben abseits der Zivilisation, je mehr Einsatz oder Entbehrungen, desto erfüllender war die Jagd für ihn. Später war die Liebe zur Natur sein Markenzeichen. Heute entfremden sich viele Jäger und junge Forstleute von der Natur, sind nicht mehr ein Teil von ihr, sondern eher ein Fremdkörper. Sie können auf sich allein angewiesen ohne Führer kaum mehr erfolgreich jagen, sehen im Wild zumeist Schädlinge des Waldes und in moderner Technik eine Möglichkeit, die Natur zu beherrschen, eigene Erfahrungs- und Kenntnis-Defizite über Fauna, Flora und Jagdhandwerk ausgleichen zu können. Doch nicht alles, was heute technisch möglich ist, ist auch ethisch vertretbar.
Ortega y Gasset schreibt in seinem Buch Meditationen über die Jagd, in ihrer allgemeinen Struktur habe sich die Jagd seit der Steinzeit nicht wesentlich gewandelt. Der einzige Unterschied bestünde in den Waffen, die damals Pfeil und Bogen, und heute eben Büchsen seien. In diesem Zusammenhang sei zu bemerken, dass das Töten nicht der ausschließliche Zweck der Jagd sei. Je mehr sich die Waffen vervollkommneten, desto mehr sei die Jagd zum Sport geworden Und infolgedessen habe sich der Mensch, wie im Sport üblich, Beschränkungen auferlegt. Wenn der sportliche Jäger das Tier tötet, dann nicht, um es um des Tötens willen zu töten, er sei ja kein Mörder, aber der Tod des Tieres sei eben die natürlichste Form, es zu besitzen, so Ortega y Gasset.
Auch in diesem Jahrtausend, im Jahr 2025, gibt es noch Forstverwaltungen, die den Einsatz von Wärmebildtechnik im Revier untersagen, Der Abschuss wird dort ohne Hilfe von „garantiert störungsfreien Wildkameras, die durch unsichtbare Infrarotblitze, die vom Wild nicht wahrgenommen werden können“, erledigt. Wärmebildkameras und Drohnen werden ja längst nicht mehr nur für die Kitzrettung genutzt, vertraute mir der Leiter eines großen Forstamtes an. Die „alten Waidmänner im Lodenmantel“, diejenigen, die nicht die entfernten Revierecken mit dem Auto abfahren, sondern viel Zeit opfern, mit dem Hund am Riemen Abfährten, Gewohnheiten des Wildes erforschen, Raubwildbesätze ohne moderne Technologie in Grenzen halten, Wildschäden durch geduldiges Ansitzen erfolgreich abwehren und Abschusspläne ohne Zeitdruck erfüllen, sind allerdings weniger geworden.
Konservative Jäger, für die die Verantwortung für sämtliche Wildtiere, die Hege und Jagdhandwerk im Mittelpunkt stehen, die gelernt haben, ihre Sinne zu benutzen, ihre körperlichen Fähigkeiten bis an die Grenze einzusetzen, um Wild zu überlisten, werden als ewig gestrige Spezies abgetan, gehören als technisch weit hinter der Zeit her kriechendes Fossil zu einer aussterbenden Art.