Von Volker Seifert

Während Hessen eine Bundesratsinitiative zur weiteren Ausweitung der Nachtzieltechnik auf den Weg brachte, sieht sich das Forum Lebendige Jagdkultur und der Steinfelder Kreis zu einer deutlichen Entgegnung veranlasst. Denn was unter dem Deckmantel „effizienter Wildschweinjagd“ verkauft wird, ist in Wahrheit ein weiterer Schritt in Richtung einer enthemmten, rein technischen Jagdausübung, die mit waidgerechter Hege wenig zu tun hat.

Die Vorstellung, künftig fest montierte Zielsysteme mit Infrarot-Aufhellern, Taschenlampen und sonstigen Leuchtmitteln an Jagdwaffen zu dulden, lässt nur einen Schluss zu:
Die Nacht wird zur Kampfzone.

Was bleibt dem Wild, wenn es rund um die Uhr verfolgt wird?

Das Wild wird zunehmend zur Zielscheibe in einem künstlich beleuchteten Raum, der seine natürlichen Rhythmen ignoriert. Die Nacht als Rückzugsraum, als biologischer Schutz, wird dem „Optimierungsgedanken“ geopfert.
Wo, fragen wir, findet unser Wild noch Ruhe?

Das Argument, mit dieser Technik Wildschäden zu reduzieren, ist ein technokratischer Fehlschluss: Denn die Nachtjagd mit Hochleistungsoptik erzeugt Stress, Unruhe und Bewegungsdruck – sie treibt die Sauen weiter, schneller, tiefer in neue Flächen. Und das dann noch als Feigenblatt mit der drohenden ASP zu verwenden, zeugt von völliger Ignoranz der Sachlage – oder, schlimmer noch, von kruder Stimmungsmache. Von gezielter, das Sozialgefüge des Schwarzwildes berücksichtigender Bejagung keine Spur.
Und wer den Finger am Abzug hat, während das Bild durch eine Taschenlampe oder einen Wärmebildschirm flimmert, trifft nicht unbedingt besser – er schießt öfter. Weiter. Riskanter. Weidwundschüsse und Fehlabschüsse werden nicht seltener, sondern häufiger. Eine Fehlentwicklung, die von Nachsuchenführern beobachtet wird. Doch deren Meinungen und Erfahrungen werden von unseren Verbandsvertretern konsequent ignoriert.

Jagdethik ist nicht verhandelbar

Die Nachtzieltechnik hebelt das aus, was die Jagd einmal auszeichnete: Konzentration, Erfahrung, Zurückhaltung – Ethos statt Technikfetisch. Wer sich hinter der Technik verschanzt, verliert das Gefühl für das Lebewesen vor dem Absehen.
Die Kombination aus Mindestabschussplänen, Druck durch Öffentlichkeit und nun technisch gestützter Dauerverfügbarkeit verführt zur industrialisierten Nachtjagd. Das Ergebnis: eine Jagd, die sich immer weiter von ihrer Verantwortung entfernt.

Der DJV begrüßt das? Das Wild sicher nicht.

Wenn der Deutsche Jagdverband sich zum Sprachrohr der Nachtsichtindustrie macht, fragen wir: Wo bleibt der Anwalt des Wildes? Wo bleibt der Schutz der Jagd, die eben mehr ist als Zielerfassung und Treffpunktoptimierung?

Es scheint, dass der DJV sich nicht mehr als Anwalt des Wildes und Vertretung der Jäger sieht, sondern vielmehr als Vertretungsorgan verkappter Sportschützen. Ein Jagdverband, der sich aus vorauseilendem Gehorsam den Begehrlichkeiten der Forstfraktion widerstandslos beugt und z. B. der Ausweitung der Jagdzeiten auf Rehwild zustimmt, scheint Augenmaß und Verantwortung an andere Götzen abzutreten. Bleibt dem Einzelnen nur die Frage: Bin ich hier noch vertreten?

Die Jagd braucht keine Feinde – solange sie solche Funktionäre und Verbände hat.

Das ist bitter. Aber auch eine Chance.
Eine Chance für alle, die sich dem Wild verpflichtet fühlen – nicht der Jagd als Technikspielplatz, nicht der Forst als Befehlshaber, nicht einer Verbandslogik, die ihre eigene Seele verrät.

Wir rufen auf:
Zur Rückbesinnung. Zur Debatte. Zum Einsatz für eine Jagd, die sich nicht selbst abschafft.

Technik darf nicht zur Legitimation für jagdliches Maß- und Zielloswerden werden.

Wir fordern:
Keine weitere Aufweichung des Nachtjagdverbots. Keine Jagd mit Flutlicht.

Der Wildbestand, unsere Verantwortung als Jägerinnen und Jäger – und nicht zuletzt die Glaubwürdigkeit unserer Zunft – stehen auf dem Spiel.