Von Prof. Dr. Johannes Dieberger
In diesem Teil des geschichtlichen Rückblicks auf die Entstehung und den Werdegang des St. Hubertus wird vor allem auf die Veränderungen der Gesellschaft hinsichtlich der Einstellung und der Bewertung der Trophäen eingegangen.
Der Hirsch in der Religion
Aber die Hirsche es Rotwildes und des Damwildes hat man schon ab der Antike als Jagdwild besonders geschätzt oder auch überschätzt. Dazu trug unter anderem der jährliche Geweihwechsel bei, dem man symbolische Bedeutung zuschrieb. Bei den frühen Christen war der Hirsch daher ein Symbol für den auferstandenen Christus. In Griechenland und in Rom war einerseits die Jagd auf das wehrhafte Schwarzwild sehr beliebt, andererseits galt auch die Jagd auf den schnellen Hirsch als eines Mannes würdig und als Training für den Krieg. Der griechische Jagdschriftsteller Arrian berichtet von der Hirschjagd der Donaukelten mit Bracken, die der späteren Parforcejagd schon sehr ähnlich war. Griechen, Römer und Kelten kannten keine Siegeszeichen oder Erinnerungsstücke, die einen Jagderfolg belegten.
(Abb. rechts: Ein "Stater" aus Kaulonia in Süditalien, das war die wertvollste Münze eines Satzes und zeigt uns die hohe Wertschätzung des Hirsches in der Antike. Die Jäger der Griechen, der Römer oder der Kelten kannten und benötigten aber keine Siegeszeichen, wenn sie bei der Rotwildjagd erfolgreich waren.)
"Jagdbar" einst und jetzt
Der Rothirsch ist in Hinblick auf Größe und Schnelligkeit die ideale Wildart für eine sportlich motivierte Jagd mit Bracken und kalten Waffen, wie sie in der Antike, im Mittelalter und später als Parforce-Jagd bis in die Gegenwart beliebt war. Als jagdbar galt zu dieser Zeit ein Hirsch mit mindestens zehn Enden, denn er sollte stark genug sein, um so eine Jagd länger durchzuhalten. Ältere Hirsche mit stärkeren Geweihen waren dafür eher ungeeignet und konnten sich mit ihren "Kopfschmuck" leichter in der Vegetation verfangen. Im Mittelalter wurde der erjagte Hirsch gleich nach dem Abfangen aus der Decke geschlagen und zerwirkt. Das Haupt mit samt dem Geweih erhielt der Leitrüde, der den Hirsch ausgemacht und aus dem bestand gesprengt hatte, als Belohnung. Mit dem Wildbret machten die Jäger die Hundemeute "genossen" damit sie bei der nächsten Gelegenehit wieder eifrig jagten.
Was bleib dem Jagdherrn?
Ein Berufsjäger schärfte beim Zerwirken den rechten Vorderlauf ab und überreichte ihn kniend an den Grafen, Fürsten oder König. Das war aber keine "Trophäe", sondern ein Ehrenzeichen, das der damit geehrte Jagdherr wohl nicht lange aufbewahrte. Wir pflegen ja auch unsere Beutebrüche, die wir uns als Ehrenzeichen an den Hut stecken, spätestens am nächsten Tag zu entsorgen. Ab der Renaissance dachte man wirtschaftlicher und verwertete die besseren Wildbretteile in der Hofküche. Für die Curée, dem Genossenmachen der Hunde, benutze man nun das Gescheide, das Geräusch und den Schweiß des gestreckten Hirsches, das alles vermischte man auf der Hirschdekce noch mit Brotstücke, damit die Hundemeute zu ihrem Recht kam.
Diese kultivierte, aber sehr aufwendige Form der Rotwildjagd geriet bei uns während der Renaissance in Vergessenheit, weil man damals wirtschaflicher dachte. In Frabkreich aber hat man die Parforce-Jagd zu einem noch aufwendigerem Jagderlebnis weiterentwickelt, bei dem eine große Zahl von Berufsjägern (verschiedene Spezialisten), Bläsern, Tierärzten, Jagdgästen, Pferden und Hunden zum Einsatz kam. Und das alles nur um einen einzigen Hirsch auf kunstvoller Art zur Strecke zu bringen.
(Abb. rechts: Diesen "Ehrenlauf" konnte man noch vor einigen Jahren im nunmehr aufgelassenen Jagdmuseum Marchegg bewundern. Er erinnerte an eine Parforce-Jagd in Frankreich, die am 5. März 1903 stattfand.)
Parforcejagd im deutschsprachigen Raum
Im Barock kam die Parforce-Jagd in dieser französischen Form wieder nach Österreich und Deutschland zurück. Beim Zerwirken schärfte man nunmehr alle vier Läufe oberhalb der Oberrücken ab, aber die Decke ließ man bis zum Knie- bzw. Sprunggelenk daran, um daraus eine Schleife zu flechten. Den rechten Vorderlauf erhielt nach wie vor der Jagdherr, die übrigen drei Läufe wurden auf Befehl an vornehme Gäste verteilt. Diese "Ehrenläufe" hängte man mit der Schlaufe über das Gefäß des Hirschfängers und die gesamte Jagdgesellschaft stecke Brüche auf.
Erstabdruck: St. Hubertus, 4/2012, S. 28ff.