Von Volker Seifert
Heinz Staudingers Werk Der alte Diezel ist weit mehr als eine bloße Jagderzählung oder eine nostalgische Rückschau auf vergangene Tage im Wald. Es ist eine feinfühlige, atmosphärisch dichte Hommage an eine untergehende Welt der Forstwirtschaft, des jagdlichen Handwerks und der tiefen Verbindung zwischen Mensch und Natur.
Im Zentrum steht die Figur des alten Diezel, eines legendären Forstmannes, dessen Leben Staudinger mit großer Detailfreude und spürbarer persönlicher Verehrung nachzeichnet. Diezel wird nicht nur als Jäger beschrieben, sondern als eine Art Naturphilosoph, als stiller Wächter des Waldes, der mehr hört, sieht und spürt als andere. Der Leser begleitet ihn durch die Jahreszeiten, erlebt stille Revierrunden, dramatische Jagdpassagen und tiefgründige Gespräche am Feuer – alles getragen von einer poetischen Sprache, die dem Stoff gerecht wird.
Staudingers eigene forstliche Erfahrung verleiht dem Buch Authentizität. Die Schilderungen von Wildverhalten, Revierpflege oder den Beziehungen unter Jägern wirken nie belehrend, sondern organisch eingebettet in die Erzählung. Besonders berührend ist, wie er Diezels Lebensphilosophie vermittelt: eine Haltung der Demut, Geduld und tiefen Verantwortung gegenüber der Natur.
Das Buch richtet sich nicht nur an Jäger oder Forstleute, sondern an alle, die ein Gespür für Natur, Tradition und stille Größe haben. Der alte Diezel ist ein stilles, starkes Werk, das den Leser mit einem Gefühl der Ehrfurcht zurücklässt – vor der Natur und vor jenen, die ihr mit echtem Respekt begegnen.
Kurzbiografie Carl Emil Diezel:
Carl Emil Diezel (* 8. Dezember 1779 in Irmelshausen an der Milz; † 23. August 1860 in Schwebheim) war ein deutscher Forstmann, Oberförster und Jagdschriftsteller. Ab 1806 wurde er Lehrer für Sprachen und Fechtkunst am Cotta’schen Privatforstinstitut in Zillbach und nach bestandenem Examen 1809 fürstbischöflicher Forstinspektor und Staatsrevierförster in Würzburg. Nach seiner Versetzung 1826 nach Kleinwallstadt blieb er bis zu seinem Ruhestand 1853 königlich bayerischer Revierförster, ehe er im März 1858 nach Grafenrheinfeld und im September 1858 nach Schwebheim zog. Bekannt wurde er durch seine lebendigen Schilderungen jagdlicher Erlebnisse und seine naturverbundene Denkweise. In zahlreichen Aufsätzen und Schriften setzte er sich mit der Jagdethik, dem Wildverhalten und dem Waldleben auseinander. Seine Werke wie Die Waldschnepfe. Leipzig, 1839 und Erfahrungen aus dem Gebiete der Niederjagd. Offenbach: 1849 gelten bis heute als Klassiker der Jagdliteratur und zeigen einen tiefen Respekt vor der Kreatur und dem Handwerk des Jägers. Diezel prägte das Bild des idealen Waidmanns einer vergangenen Zeit – bescheiden, wissend, und mit unerschütterlichem Pflichtbewusstsein gegenüber Natur und Tierwelt.
Fazit:
Ein eindrucksvolles Porträt eines Forstmannes und ein literarisches Denkmal für eine fast vergessene Welt. Lesenswert für alle, die Stille und Tiefe suchen.
Hinweis:
Leider ist das Buch derzeit vergriffen und nur antiquarisch erhältlich. Umso mehr bleibt zu hoffen, dass der Verlag bald eine Neuauflage in Betracht zieht – denn Der alte Diezel hätte es verdient, wiederentdeckt zu werden.
Heinz Staudinger: Der alte Diezel. Aus dem Leben des großen Forstmannes und Jägers. Kosmos Verlags-GmbH, 2008
Heinz Staudinger, Jg. 1938, Forstmann aus Franken, die meiste Zeit im Spessart tätig, zuletzt als Leiter des Forstamtes Lohr am Main. Befaßt sich seit Jahren mit Fragen der Jagd- und Forstgeschichte, vor allem mit bemerkenswerten Gestalten aus Jagd und Wilderei.
Die Ergebnisse seiner Arbeit hat er in den Münchener Forstlichen Forschungsberichten, im Aschaffenburger Jahrbuch und in den Zeitschriften Spessart, Frankenland, Wild und Hund veröffentlicht. Mit seinem Buch über den Spessart-Wilderer Hasenstab hat er eine regelrechte Hasenstab-Welle ausgelöst: Der Bayerische Rundfunk, der Mitteldeutsche Rundfunk und das Bayerische Fernsehen haben wiederholt berichtet, der Stoff ist dramatisiert, ein Rundwanderweg eröffnet und ein Gedenkstein aufgestellt worden. Mit seinem Buch über den alten Diezel hat er die längst fällige Biografie dieses größten deutschen Jagdschriftstellers vorgelegt, dessen Werk unsere Jagd bis auf den heutigen Tag geprägt hat.
Staudinger ist Mitglied im Bayerischen Jagdschutz- uind Jägerverband, im Verein für Deutsche Wachelhunde, im Arbeitskreis Forstgeschichte in Bayern und im Forum lebendige Jagdkultur.