Federschmuck, Reißzahn und Geweih als Werkzeug, Schmuck oder Trophäe

„Der Jäger ist gleichzeitig der Mensch von heute und der vor 10.000 Jahren.“
(Ortega y Gasset)

Der Mensch, gleich ob Mann oder Frau, liebte es schon vor Jahrtausenden, sich zu schmücken, und er liebt es noch heute, sich aufzuwerten oder gar „herauszuputzen“. Ein eindrucksvolles Zeugnis dafür sind die bis zu 40.000 Jahre alten Höhlenmalereien, Felszeichnungen, Gravuren und Artefakte unserer Vorgänger.
Als Schmuck oder Trophäe dienten und dienen dem Jäger bis heute in allen Kulturen die Attribute der Stärke und Wehrhaftigkeit, wie die Reißzähne, Krallen und Felle des bedrohlichen „Raubtieres“ sowie die Stirnwaffen der Geweih- und Hornträger; sie sind bis in unsere Gegenwart noch Werkstoff oder Accessoire. Zudem werden sie in einigen Kulturen als Heilmittel oder Aphrodisiakum eingesetzt, worauf ich hier nicht näher eingehen möchte.
Auch die Vögel mussten seit Jahrtausenden ihre Federn lassen. Zur Hervorhebung auf den Anspruch einer herausragenden Stellung, der Macht oder des Besitzes schmückt sich der Homo Sapiens noch heute allzu gerne nicht nur sprichwörtlich mit fremden Federn. Es geht sowohl dem Menschen als auch dem Tier bei der Status-Bekundung hauptsächlich um die Darstellung, Zurschaustellung oder „Vermarktung“ seiner selbst. In diesem Zusammenhang stellt der Kampf um das Paarungsvorrecht beim Wild einen gewissen Höhepunkt dar. Wir erleben ein Ringen, bei dem die Teilnehmer dieselbe Absicht verfolgen. Dazu benötigen die Individuen Erfahrung, physische Stärke, Ausdauer, artspezifische Waffen und ein erfolgreiches Erscheinungsbild. Während der Balz, der Brunft dient so die zur Schau gestellte Stirnwaffe bzw. der Federschmuck der Vögel dem Kampf um das Paarungsvorrecht.
Wir modernen Menschen können die vermeintliche Kraft oder Überlegenheit des von Testosteron-Schüben gesteuerten männlichen Paarungstriebes häufig beobachten, denn in allen uns zur Verfügung stehenden Medien finden wir vielfältige Dokumentationen in Wort und Bild zu diesem Thema.

Die in gewisser Hinsicht kurze Zeitspanne von 40.000 Jahren hat uns Menschen evolutionär vielleicht in mancher Weise oder gleichzeitig kaum verändert. Wir sind gewissermaßen immer noch Jäger und Sammler, wenn es um die Trophäen des Erfolges geht und auch in Hinblick auf die Konfrontation mit täglichen Auseinandersetzungen, dem Kampf um Sorgen, mit Problemen und Stress. Denn wer möchte aus einer beliebigen Situation nicht mit Erfolg hervortreten? Und manchmal versuchen wir dem Alltag unserer schnelllebigen Zeit vielleicht durch einen Adrenalin-Schub auf der Suche nach dem sogenannten Kick zu entfliehen.
Wir haben in dieser Hinsicht das Wort, geschrieben oder gesprochen, das Foto, das Bild, den Film und natürlich die Trophäe in unterschiedlichen Bedeutungsebenen, um das positive Erleben zu dokumentieren oder greifbar zu machen bzw. um uns zu schmücken. Wie die Generationen vor uns sind wir auf der Suche nach Wertschätzungen und nach der Möglichkeit das Gelebte, d.h. die gelebte Zeit zu fixieren. Brauchen wir, wie die Jäger der Urzeit, eine Erinnerung im Sinne einer Trophäe und schaffen uns damit eine Bekundung unserer vermeintlichen Kraft oder Stärke in dem Wissen, wie fragil das menschliche Dasein ist? Die Antwort findet sich in dem obigen Zitat.

Hiermit stelle ich als Maler meinen Bilderzyklus zu dem Thema „Der Kampf um das Paarungsvorrecht“ vor.

 

© Rainer Schmidt-Arkebek
www.schmidt-arkebek.de

 

Birkhaehne

Sauen Paarungsvorrecht

Muffelwidder

Klage für den Wolf

Aus den Steppen und Wäldern des Ostens zieht es den Grauhund, den Wolf, zurück in die Gebiete Westeuropas. Der Weg wurde ihm durch das Fallen des Eisernen Vorhanges geöffnet, der als Grenze von Menschenhand nur selten einen Durchschlupf in vielerlei Hinsicht ermöglicht hatte.

In der Frühgeschichte, der Homo sapiens lebte als nomadisierender Jäger und Sammler, näherte sich der Wolf dem Menschen und nutzte als Resteverwerter dessen Abfallhaufen. Die feinen Sinne, das Gehör und der Geruch, das Sozialverhalten, die Fähigkeit, im Rudel zu leben und zu jagen, beobachtete der jagende Mensch und nahm sich der Wolfwelpen an. So wurde der Wolf dem Menschen als Jäger unter Jägern ein Begleiter, der Rudelfremde nicht duldete und die Sippe auf Leben und Tod verteidigte. Etwa so erfolgte die Domestizierung des ersten Wildtieres in dem Zeitraum von 40.000 - 15.000 Jahren vor unserer Zeitrechnung.

Der Mensch wurde schließlich sesshaft, säte Getreide und schuf sich damit Besitz. Der Besitz, dessen Eingrenzung und die damit verbundene Ausgrenzung anderer trennte die Menschheit im Sinne des Philosophen Jean-Jacques Rousseau in Herrscher und Unterworfene, beziehungsweise auf einer neuartigen Ebene in Freund und Feind. Wohl spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde der Wolf dem Menschen eine Plage. Aus menschlicher Sicht war er in Hinblick auf die domestizierten Nutztiere nun Fressfeind, wenn er die große unberührte und unbesiedelte Wildnis verließ, um in menschlicher Nähe seinen Hunger zu stillen. Der Mensch begann zu dieser Zeit, mit Weitsicht, Ausdauer und Geschick vielseitig nutzbare Hunderassen mit unterschiedlichen Fähigkeiten zu züchten.

Aus mythologischer Sicht war der Wolf damals das Symbol einer freien, wilden und geheimnisvollen Natur, die insofern als intakt anzusehen war, als dass die Kulturvierung durch den Menschen erst einen Anfang erfahren hatte. In der altgermanischen Vorstellung waren die Wölfe Geri und Freki Begleiter des Kriegsgottes Odin, die siegbringenden Grauhunde der Schlacht. Allerdings verschlang der Fenriswolf dann mit der Götterdämmerung, dem Untergang Odins und der Welt alles Sein. Bei den Römern galt der Wolf als Beschützer, zumal Romulus und Remus von einer Wölfin ernährt und großgezogen worden waren. Zum Dank gründeten Romulus und Remus an jenem Ort 753. v. Chr. die Stadt Rom. Interessanterweise galt bzw. gilt der Wolf als heiliges Tier, so bei vielen Indianervölkern und den Inuit Nordamerikas. Selbst im Dschungelbuch wird das Findelkind Mowgli von einem Wolfsrudel großgezogen, worin ein Sinnbild mütterlicher Aufopferung zu sehen ist.

Nachdem der Wolf dem Menschen mit dem Beginn seiner Sesshaftigkeit ein Fressfeind geworden war, entwickelte er sich in den Geschichten, die man sich vermutlich am Lagerfeuer oder am wärmenden Herd erzählte, zu einem Bösewicht. Dem Wolf wurde über den gesamten Zeitraum des Mittelalters Übles nachgesagt, er sei ein Gehilfe des Teufels, der Hexen und Zauberer. Als Aas- und Leichenfresser war er der Menschenfresserei überführt, eine blutrünstige Bestie und eine Bedrohung menschlichen Lebens, dadurch dass er das Vieh der Menschen riss. Als Beispiel für den schlechten Ruf des Wolfes sei hier an die Märchen „Rotkäppchen“ oder „Die sieben Geißlein“ bzw. an den Begriff Werwolf erinnert. Die Kriege der Menschen, sei es der Dreißigjährige Krieg im 17. Jahrhundert oder der Siebenjährige Krieg im 18. Jahrhundert, schufen dem Wolf einen reich gedeckten Tisch. Nicht bestattete Leichen und herrenloses Vieh sowie entvölkerte Landstriche ließen die Populationen anwachsen. Epidemien (wie z. B. Cholera und die Pocken) und Hungersnöte schufen ihm darüber hinaus ein Schlaraffenland.

Die wachsende Bevölkerungszunahme, die Ausweitung der Bewirtschaftungsflächen und die Gewinnoptimierung vernichtete den Lebensraum vieler Tiere im westlichen Europa. Mitte des 19. Jahrhunderts war der Wolf hier gänzlich ausgerottet. Im Norden und im Süden verblieben einige kleinere und begrenzte, im Osten die größeren Rückzugsmöglichkeiten für den Wolf.

Das Jahr 2000 gilt als das Jahr der Rückkehr des Wildnis-Botschafters Wolf nach Deutschland, im Osten Sachsens wurde zu dieser Zeit das erste Wolfspaar beobachtet. Heute scheint er zurückgekehrt zu sein, der geschmähte Wolf, zurück in das Gebiet seiner Vorfahren, das lange vor dem Menschen seine Heimat war. Er setzt die Branten und Spuren in den Sand der westlichen europäischen Kulturlandschaften. Da rufen viele „Willkommen Wolf“ den naturentfremdeten Zeitgenossen zu, aber auch Klagen sind wegen des durch ihn verursachten Schadens in der Viehhaltung zu vernehmen.

Ich beklage das Schicksal des Wolfes. In der Frühgeschichte mag es eine Koexistenz, eine Art Symbiose gegeben haben, als es dem Menschen gelang, ihn sich zu seinem Jagdgefährten zu erziehen. Spätestens mit dem Beginn der Sesshaftigkeit sah der Mensch den Wolf dann als Bedrohung und Gefährder. Und so ist es heute noch. Die heutigen Monokulturen der Korn-, Raps- und Maisäcker gleichen Wüsten. Auf den Einöden werden die viel zu hohen Güllemengen, produziert durch die Massentierhaltung, ausgebracht. Insektizide und Pestizide und weitere Chemiegifte tragen zu einem Artensterben bei, das über die Insekten, über die Vögel bis hin zum Säugetier reicht. Die Böden, die Gewässer, die Luft, die Atmosphäre sind der industriellen Ausbeutung und Verschmutzung durch den Menschen ausgesetzt. Lärm, Gestank, Menschen in Dörfern und Städten, wohin der Wolf auch zieht. Zwar gibt es ein paar Fleckchen, die Naturschutzgebiete, die der Mensch der Flora und Fauna zugesteht. Da die Gebiete für den Wolf zu klein sind, werden seine Nachkommen aber durch ihn selbst verstoßen und vertrieben, sobald das Rudel zu groß geworden ist. So ist der vertriebene Wolf gezwungen sich ein eigenes Jagdrevier zu suchen. Gefahren erwarten ihn, wohin sein Lauf ihn führt. Als rastlose Streuner müssen Wölfe Zäune und Straßen überwinden und unsere zerschnittenen Industrielandschaften durchqueren. Europaweit säumen zu abertausenden die Wild-Verkehrsopfer als Kadaver und Aas die Verkehrsnetze, eine reiche Beute und Fraß für die Wanderer. Immer häufiger werden auch hier immer mehr Wölfe als Verkehrsopfer ihr unnatürliches Ende finden.

Beklagenswerter, bemitleidenswerter, armer zurückgekehrter Wolf! Deine Zukunft in unseren ausgeräumten, artenverarmenden, bevölkerungsdichten und zersiedelten Landschaften Westeuropas ist dunkel. Hier ist dir ein artgerechtes Verhalten gar nicht möglich, du wirst zwangsläufig auffällig. In einem Märchen siegen stets die Guten, in der Wirklichkeit sieht das oft anders aus. Selbst in die Welt der Märchen kannst Du nicht verschwinden. Auch dort ist kein guter Platz für dich. Isegrim, du armer Hund, Du dauerst mich!

 

 

Text und Bilder
© Rainer Schmidt/Arkebek
www.schmidt-arkebek.de

 

Der Wolf als Begleiter und Jagdkumpan Der Wolf naehert sich dem Menschen

Des Wolfes unnatuerliches Ende

Die Rueckkehr des Wolfes

Text und Bild zum neuen Vortrag